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Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Rechtliche Regelungen werden zumeist nicht einfach so befolgt und umgesetzt. Das trifft insbesondere für Regelungen zu, die gesellschaftliche Verhältnisse verändern und wie das AGG zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen sollen. Ob das AGG – wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt – eine Kultur der Antidiskriminierung etablieren kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Betroffenen ihre Rechte einfordern (können). Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade betroffene Frauen viel seltener ihre Rechte wahrnehmen als betroffene Männer. Vor diesem Hintergrund besteht die Hauptaufgabe der Antidiskriminierungsstelle des Bundes darin, eine offene Anlaufstelle für Betroffene zu sein und sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen, und zwar durch

  • rechtliche Beratung,

  • Vermittlung von Beratung durch andere Stellen sowie

  • das Herbeiführen von Einigung zwischen Beteiligten (§ 27 Abs. 2).


Die Antidiskriminierungsstelle hat also folgende Aufgaben (§ 27 Abs. 3,4):

  • Öffentlichkeitsarbeit,

  • Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen,

  • Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen und

  • alle vier Jahre die Vorlage eines Berichts mit Empfehlungen zur Beseitigung und Vermeidung von Benachteiligungen.


Für die Erfüllung der Beratungsaufgabe ist es vorteilhaft, dass die Antidiskriminierungsstelle für Betroffene aller im AGG geregelten Merkmale zuständig ist. Auch in diesem Punkt geht das AGG über die Vorgaben der EU-Richtlinien hinaus. Diese hatten nur die Einrichtung einer Stelle für die Merkmale Geschlecht und ethnische Herkunft verlangt. Eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene ist aber sinnvoll, da es in der Praxis, z.B. bei Mehrfachdiskriminierungen, für die Betroffenen unnötige Schwierigkeiten bedeutet hätte, sich bei verschiedenen Stellen Rat und Hilfe zu suchen. Eine behinderte Frau hätte sich beispielsweise nur von der Antidiskriminierungsstelle bezüglich der Benachteiligung wegen des Geschlechts, aber nicht wegen ihrer Behinderung beraten lassen können. Zumal dies voraussetzt, dass die Diskriminierung wegen des Geschlechts und wegen der Behinderung immer klar voneinander zu trennen seien.

Die Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle bestehen darin, im Rahmen der gütlichen Streitbeilegung Stellungnahmen der Betroffenen einfordern zu können, wenn die betroffene Person dazu ihr Einverständnis erklärt (§ 28 Abs. 1). Kritisiert wird hieran, dass nur Bundesbehörden und sonstige Stellen im Bereich des Bundes verpflichtet sind, die Antidiskriminierungsstelle bei ihrer Arbeit zu unterstützen
(§ 28 Abs. 2). Private Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen die erforderlichen Auskünfte nicht erteilen. Ihre Beteiligung an einer gütlichen Streitbeilegung ist rein freiwillig und kann nicht erzwungen werden. Die Antidiskriminierungsstelle hat auch nicht die Möglichkeit, Betroffene vor Gericht zu vertreten und Musterprozesse zu führen.
Die Zeit wird zeigen, ob darin ein Mangel der Ausgestaltung der Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle liegt oder ob das AGG mit diesen Regelungen neue Wege der Konfliktlösung im Antidiskriminierungsrecht beschreitet, indem mehr auf Ausgleich und Verständigung gesetzt wird und nicht auf Sanktionen.

Die Leitung der Antidiskriminierungsstelle wird von der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister des BMFSFJ auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Es handelt sich dabei um ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis, welches an die Legislaturperiode des Bundestages gekoppelt ist, im Normalfall also vier Jahre dauert (§ 26 Abs. 3). Das Amtsverhältnis wird durch einen Vertrag zwischen der Leitung und dem BMFSFJ geregelt und bedarf der Zustimmung der Bundesregierung (§ 26 Abs. 4). Diese Ausgestaltung hat zu Zweifeln geführt, ob damit die von den EU-Richtlinien geforderte Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle gegeben ist (Nickel 2006).

Die Erfahrungen mit anderen Beauftragten des Bundes hat gezeigt, dass auch bei einer Bindung an die Legislaturperiode Handlungsspielräume jenseits der parteipolitischen Gegebenheiten bestehen. Wie weit dieser Spielraum genutzt wird, wird vom Amtsverständnis der Amtsinhaberin abhängen.

Zur Unterstützung der Arbeit der Antidiskriminierungsstelle wird ein Beirat eingerichtet, der nicht mehr als 16 Mitglieder haben soll und zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern zu besetzen ist (§ 30 Abs. 2). Andere Vorgaben hinsichtlich der Besetzung gibt es nicht. Es wäre jedoch sinnvoll bei den Beiratsmitgliedern auch Frauen und Männer mit Migrationshintergrund oder einer Behinderung zu berücksichtigen.
Der Beirat berät die Antidiskriminierungsstelle bei der Vorlage von Berichten und Empfehlungen an den Bundestag und kann hierzu und zu den wissenschaftlichen Untersuchungen der Stelle eigene Vorschläge entwickeln (§ 30 Abs. 1).

Die Antidiskriminierungsstelle hat einen ambitionierten Auftrag: Sie soll Bewusstsein für Diskriminierung und Ausgrenzung schaffen und eine Kultur der Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt etablieren. Das lässt sich nicht einfach per Gesetz verordnen, sondern bedarf einer gemeinsamen Anstrengung der Gesellschaft. Das AGG fordert daher nicht nur die Sozialpartner auf, an der Verwirklichung dieser Ziele mitzuwirken, sondern regelt auch die Zusammenarbeit der Stelle mit anderen Beauftragten des Bundes (§ 27 Abs. 5 AGG) sowie mit Nichtregierungsorganisationen und anderen Einrichtungen, die zum Schutz vor Diskriminierung tätig sind (§ 29 AGG).

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist wie folgt erreichbar:

Alexanderstraße 3
10178 Berlin
Telefon: 03018/ 555 - 1865
Telefax: 03018/ 555 - 41865
E-Mail: ads@bmfsfj.bund.de


Am 29. und 30. November 2007 hat die erste Fachtagung der Antidiskriminierungsstelle mit dem Titel "Chancengleichheit als MehrWert" stattgefunden. Wenn Sie sich für die Ergebnisse der Tagung interessieren, dann klicken Sie bitte hier.

SL

Weiterführende Literatur:

  • Franke, Bernhard/ Merx, Andreas: Die Umsetzung der Vorgaben der EG-Gleichbehandlungsrichtlinien in ausgewählten Mitgliedstaaten – Stellen zur Förderung der Gleichbehandlung in Europa, in: ZESAR 2005, S. 321-334.

  • Merx, Andreas: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2006.

  • Seidel-Moreau, Monika/ Kettenberger, Karoline: Die Wächterinnen über die gesetzlich verordnete Chancengleichheit. Eine Prognose über das Wirken der Antidiskriminierungsstelle in Deutschland am Beispiel der französischen „Haute Autoritè de lutte contre les discriminations et pour l’egalité, in: Gleichstellung in der Praxis (GiP) 2006, S. 23-27.

erstellt von Administrator zuletzt verändert: 02.01.2010 20:06